IFH KÖLN: Marktchancen von Mehrwegkonzepten im Versandhandel

E-Commerce wächst – nicht erst seit Corona. Aber die Pandemie hat das Einkaufen im Internet stark befeuert. Allein im ersten Quartal 2021 verzeichnete die Branche in Deutschland nach Auskunft des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel (bevh) 28 Prozent Umsatzwachstum. Als Möglichmacher dieses Trends spielt die Versandverpackung eine tragende Rolle. Händler und Shopper fordern schützende Hüllen, die bei geringem Materialaufwand einen sicheren Transport der bestellten Produkte gewährleisten. Die Verpackung soll alle wichtigen Informationen tragen, leicht zu öffnen und für einen eventuellen Rücktransport nutzbar sein. In puncto Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung sind nachwachsende Rohstoffe und lückenloses Recycling mit haushaltsnaher Sammlung der gebrauchten Verpackungen wünschenswert. Das Multitalent, das diesem Anforderungsprofil gerecht wird, heißt Wellpappe. Neun von zehn Versandkartons bestehen aus dem Öko-Material.

Mehrweg mit zusätzlicher Logistik

In manchen umweltpolitischen Diskussionen werden Mehrwegkonzepten grundsätzliche ökologische Vorteile zugeschreiben. Diese Position vereinfacht jedoch die komplexe logistische Wirklichkeit zu stark. Die Umweltwirkungen, die mit dem Transport leerer Mehrwegverpackungen an wenige Sammelstellen, mit Reinigen und Bereitstellen verbunden sind, bleiben dabei oft unberücksichtigt. Dagegen können je nach Anwendung Verpackungen, die in einem geschlossenen Stoffkreislauf geführt werden, eine bessere Ökobilanz als die Mehrwegvarianten aufweisen. Solche Kreislaufverpackungen entsprechen dem gesellschaftlichen Wunsch nach Ressourcenschonung und Recycling im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft.

Entscheidend für die Etablierung im Markt ist die Frage, ob Verbraucher gewillt sind, Mehrwegverpackungen zu einer Sammelstelle zu bringen, für eine mögliche Abholung aufzubewahren oder in den nächsten Briefkasten zu werfen. Sind sie bereit, durch einen Aufschlag auf den Gesamtpreis des Einkaufs den zusätzlichen Mehrwegaufwand zu finanzieren? Und was halten die Shopper von der Praxis, leere Verpackungen vor einer erneuten Befüllung zentral zu reinigen, statt sie im Rahmen eines etablierten Systems zu recyceln?

Aufwand schreckt Nutzer ab

Antworten auf diese Fragen liefert das Institut für Handelsforschung IFH KÖLN. Die Ergebnisse der im Juli 2021 veröffentlichen, repräsentativen Onlinebefragung „Wellpappe vs. Mehrweg – Akzeptanz von Verpackungslösungen im Versandhandel“ bestätigen die hohe Relevanz des Themas für Verbraucherinnen und Verbraucher: Für 71 Prozent der Befragten ist Verpackung ein wichtiges Kriterium bei Kaufentscheidungen.

Dabei sehen Onlineshopper Mehrwegverpackungen durchaus kritisch – gerade wegen der unklaren Umweltbelastungen durch Rücktransporte und Reinigung. Einer knappen Mehrheit der Befragten ist der mit der Mehrweglogistik verbundene Zusatzaufwand bewusst. Über zwei Drittel der Konsumentinnen und Konsumenten wollen zudem generell keinen Mehraufwand für Versandverpackungen in Kauf nehmen. Hier siegt bei der Mehrheit der Interviewpartner also das Convenience-Bedürfnis.

Wellpappe überzeugt mit Recycling

Mit Wellpappenverpackungen verbinden die Studienteilnehmer, dass sie natürlicher als Plastik sind (91 Prozent) und das Produkt gut schützen (78 Prozent). Das Recycling über die Altpapiertonne empfinden 92 Prozent als einfach. Den Recyclingkreislauf der Wellpappe kennen 54 Prozent der Befragten. Werden die weniger gut informierten Shopper über das Wellpappenrecycling aufgeklärt, steigt die Präferenz für das Material noch einmal deutlich. Knapp die Hälfte der Befragten schätzt Wellpappe nachhaltiger als Mehrweg ein; umgekehrt sagen nur 19 Prozent, Mehrweg sei nachhaltiger.

Fazit der Studienautoren: „In puncto Nachhaltigkeit kann Mehrweg die Konsumenten und Konsumentinnen durch sein Material, Transportwege und Reinigung nicht überzeugen. (…) Wenn sie sich aktuell für eine Versandverpackung bei ihrer Onlinebestellung entscheiden müssten, würden sie in den meisten Fällen Wellpappe wählen.“