"Dicke Bretter bohren"

Vorbericht des schweizerischen Fachmagazins Pack aktuell (Ausgabe 15/2013) zur Konferenz „Zukunftsfähige Verpackungen für den Konsum von morgen“.

Proaktiv statt nur antinegativ handeln
Denkfabrik für ökologische Verpackungen – so positioniert sich das 2012 gegründete Forum Ökologisch Verpacken (FÖV). Jetzt veranstaltet das FÖV seine erste öffentliche Konferenz. Kooperationspartner ist dabei das Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) in Rüschlikon bei Zürich, wo die Konferenz am 5. November auch stattfindet. Nachgefragt bei Dr. David Bosshart, CEO des GDI, und Rudolf Gross, Vorstandsmitglied Schweiz des FÖV.

Hinter dem Forum Ökologisch Verpacken stehen die Wellkartonverbände Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Das 2012 gegründete Forum ist nach dem Willen der Gründer aber offen für Personen und Organisationen, die andere Packstoffe oder Stufen der Versorgungskette vertreten. Das Ziel des FÖV sei die packstoffübergreifende Förderung von Kreislaufwirtschaft und Recycling. Dazu brauche es Mitstreiter aus allen Stufen der Versorgungskette.

Der Wille zur Zusammenarbeit zeigt sich auch bei der ersten öffentlichen Konferenz des FÖV. Diese findet in Kooperation mit dem Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) statt, das zu den führenden Forschungsinstituten für Handels- und Konsumentenfragen in Europa gehört. Die Konferenz hat das Thema „Zukunftsfähige Verpackungen für den Konsum von morgen“. Pack aktuell hat Rudolf Gross, der Wellkarton Schweiz im FÖV-Vorstand vertritt, und Dr. David Bosshart, CEO des GDI, zu Themen und Zielen der Premierenveranstaltung befragt. 

Pack aktuell: Herr Gross, das FÖV veranstaltet seine erste Konferenz überhaupt in der Schweiz und zusammen mit einem Schweizer Forschungsinstitut. Was war der Grund für die Standort- und Partnerwahl?
Rudolf Gross: Die Schweiz war als Ort für unsere Premierenveranstaltung nicht gesetzt. Klar war nur, dass bei unseren Veranstaltungen jedes Land einmal zum Zuge kommen soll, ohne dass die Reihenfolge feststand. Bei der Planung unserer Erstveranstaltung sind wir dann schnell auf das Gottlieb Duttweiler Institut gekommen, das eines der führenden Institute für Handels- und Konsumentenfragen in Europa ist und auch zum Thema Nachhaltigkeit forscht. Nachhaltigkeit, Internationalität, Orientierung entlang der Supply Chain, das sind so viele thematische Übereinstimmungen, dass eine Kontaktaufnahme mit diesem Institut nahe liegend war. Das GDI war aus den gleichen Gründen an einer Kooperation interessiert. So konnten wir uns rasch einigen. Aus unserer Sicht gibt es kaum einen besseren Ort für unsere erste Veranstaltung als das GDI. Mit dem GDI als Partner können wir im gesamten deutschsprachigen Raum die Firmen und Institutionen entlang der ganzen Versorgungskette ansprechen, die wir für das Mittun im FÖV oder für die Unterstützung unserer Ziele gewinnen wollen. 

Pack aktuell: An wen richtet sich die Premierenkonferenz? Geht es in der ersten Phase vor allem um Insider, sprich Vertreter der Verpackungs- und abpackenden Industrie, oder sollen schon jetzt Konsumenten und Konsumentenorganisationen angesprochen werden?
Rudolf Gross: Es ist ein Erstanlass, wir wollen möglichst viele ansprechen und sehen, wen wir für das Thema gewinnen können. Wir haben in unseren Einladungen daher auch die Umweltbeauftragten von Konsumentenorganisationen angesprochen. Der Erstanlass ist zudem kostenlos, das heißt, er wird von der Wellkartonbranche der drei Länder gesponsert. Wir haben bei der Wahl der Referenten darauf geachtet, Vertreter von Konsumenten, Handel, Industrie, Wissenschaft und Verbänden einzuladen. Wir wollten hier das ganze Spektrum abbilden, das wir ansprechen wollen. Wir werden sehen, wen wir für die Teilnahme am Kongress gewinnen können, und darauf aufbauen. Um die Attraktivität einer Teilnahme zu erhöhen, haben wir mit Stephan Klapproth einen prominenten Moderator verpflichtet. 

Pack aktuell: Nur sehen, wer sich für das Thema interessiert? Sie dürften mit der Konferenz doch noch weitere Ziele verfolgen?
Rudolf Gross: Wir wissen, dass wir dicke Bretter bohren müssen. Das Thema Nachhaltigkeit ist zwar in aller Munde, aber es wird nach unserer Meinung in den Firmen noch nicht genügend gelebt. Und darum geht es letztlich dem FÖV: Das Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit in den Firmen wecken und verankern, dazu beitragen, dass dem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft auch der Schritt in die Tat folgt. Wir wollen so dazu beitragen, dass man verantwortungsvoll agierende Unternehmen von den grünen Trittbrettfahrern unterscheiden kann. 

Pack aktuell: Das Forum Ökologisch Verpacken ist eine noch junge Organisation. Träger sind bislang die Wellpappe-Industrieverbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bei der Gründung wurde gesagt, dass das Forum offen für andere Packstoffe ist. Was ist diesbezüglich seit der Gründung gegangen?
Rudolf Gross: Das erfordert mehr Zeit als erwartet. Als nicht voll professionelle Organisation hat das FÖV auch nicht genügend Kapazitäten, um die Gespräche mit anderen Organisationen schnell voranzutreiben. Doch auch hier erwarten wir, dass die Konferenz am 5. November die Dinge in Gang bringt und für Schub sorgt. Wunschpartner in einer ersten Phase wären Verbände anderer faserbasierender Packstoffe. 

Pack aktuell: Herr Bosshart, das Thema der Konferenz lautet "Zukunftsfähige Verpackung für den Konsum von morgen". Was wird am Konsum von morgen anders sein als am Konsum von heute?
David Bosshart: Die Zeit des endlosen, bewusstlosen Konsums hat ihren Höhepunkt überschritten. Wir alle wissen das. Die Transparenz steigt, Konsumenten sind besser informiert über die ganze Wertschöpfungskette. Proaktives statt antinegatives Handeln bringt die Lernkurve der Industrie und letztendlich von uns allen voran.

Pack aktuell: Was heißt das für die Verpackungsfunktionen in der Zukunft? Was kann bleiben wie es ist, was muss sich ändern und wie?
David Bosshart: Verpackungen sind mit Ritualen verbunden, die vor allem mit neuen oder weniger schädlichen Materialien anders oder ergänzend definiert werden können. Verführung und Freude bereiten wird bleiben. Menschen lieben Enthüllungen und die Vorfreude, die gute Verpackung vermitteln kann, ist weiterhin ein emotional unverzichtbares Kernelement. 

Pack aktuell: Verpackungen erfüllen nicht nur technische Funktionen, sondern bedienen auch Emotionen. Hat der Konsument der Zukunft ein anderes emotionales Muster als heute? Was heißt das für die Verpackung von morgen?
David Bosshart: Wir können unseren emotionalen Haushalt nicht per Reset-Knopf neu ausrichten. Aber das Bewusstsein schwingt mit, nicht einfach aus Komfort-Gründen überflüssigen Ressourcen-Verschleiß zu generieren. Wie man das macht, ist eine Frage der subtileren Kommunikation, etwa dass ich nicht moralisiere und ein schlechtes Gewissen vermitteln will. Viel wichtiger ist es etwa, ihn z.B. darauf hinzuweisen, dass über 80 Prozent der Käufer dieses Produktes die Verpackung wiederverwendet haben. 

Pack aktuell: Hinter dem Konferenzveranstalter Forum Ökologisch Verpacken stehen die Wellkartonindustrieverbände aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Wettbewerb unter den einzelnen Packstoffen wird auch mit ökologischen Argumenten ausgetragen. Was sagen Studien darüber, wie packstoffsensibel Konsumenten überhaupt sind? Eine These ist ja, dass Konsumenten nicht nach Packstoffen schauen, sondern generell ein ruhiges Ökogewissen haben, wenn Sie gebrauchte Verpackungen ins Recycling geben können.
David Bosshart: Es ist richtig, dass wir heute gerne die Bequemlichkeit und die Entlastung suchen. Das ist verständliche Flucht aus der Komplexität. Daher ist die Verantwortung ja immer eine geteilte, und nicht eine exklusive: die Industrie, die oft am meisten weiß, der Handel, der das Produkt anpreist, und der Konsument, der verzehrt und wegwirft. Sie alle sind in der Pflicht. 

Die Fragen stellte Joachim Kreuter, Chefredakteur von Pack aktuell.