„Das Zeitalter des Recyclings ausrufen und vorleben“

Jeder weiß: Wir können nicht so weiter machen wie bisher. „Bei gleichbleibender Lebensweise verbrauchen wir in absehbarer Zeit die Ressourcen der Erde und berauben uns der eigenen Grundlagen“, ist Rudolf Gross, Schweizer Vorstand der internationalen Dialogplattform Forum Ökologisch Verpacken (FÖV), überzeugt. „Es braucht einen Bewusstseinswandel, sowohl bei den Verbrauchern als auch in den Unternehmen.“ Was sich indes ändern muss und wie die notwendigen Veränderungen umzusetzen sind, ist Gegenstand einer umfassenden gesellschaftlichen Debatte, an der sich auch die Verpackungsindustrie beteiligt.

Einen Beitrag hat das FÖV unter dem Motto „Zukunftsfähige Verpackung für den Konsum von morgen“ auf seiner Konferenz am 5. November im Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) in Zürich geleistet. Im Brennpunkt der Diskussion von Experten aus Handel und Industrie, Wissenschaft und NGOs stand dabei die Frage, wie ökologische Verpackungen aussehen müssen, um einen nachhaltigen Konsum zu ermöglichen. Aus Verbrauchersicht ein drängendes Thema: Kundenbefragungen des schweizerischen Einzelhandels haben ergeben, dass Konsumenten gerade in puncto Verpackungen ökologische Verbesserungen erwarten.

Konsumenten anschubsen
Der Verbraucher ist der Dreh- und Angelpunkt für nachhaltigen Konsum. Er muss „genudged“ werden, also angestoßen – davon ist Dr. David Bosshart, CEO des GDI überzeugt. Für ihn lautet die Kernfrage: „Wie können wir das Verhalten der Konsumenten über die gesamte Wertschöpfung beeinflussen, ohne Zwang auszuüben?“ Er plädiert für einfache, klare Anreizsysteme, die das nachhaltige Verhalten der Verbraucher belohnen und gleichzeitig die Tragweite seiner Kaufentscheidung ins Bewusstsein heben. Bei der Kommunikation von Hersteller und Handel mit dem Verbraucher hält Bosshart die Verpackung für das Kernelement. Denn Studien zufolge werden Kaufentscheidungen am stärksten über Verpackungen beeinflusst – erst dann kommen Empfehlungen von Freunden, Online-Reviews und mit weitem Abstand TV-Werbung.

Was erwarten Verbraucher von Verpackungen? „Da  das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Produktqualität ständig wächst, wollen die Konsumenten so wenig Verpackungsmaterial wie möglich – und die Verpackung soll umweltverträglich und recyclingfähig sein.“ Jörg Pretzel, Geschäftsführer von GS1 Germany, bezieht sich hierbei auf die Ergebnisse einer GfK-Studie. Die Verpackungsgestaltung bewegt sich heute im ständigen Spannungsfeld zwischen ökologischen, logistischen und marketingtechnischen Anforderungen, also zwischen der Fokussierung auf Umweltaspekte von Seiten des Verbrauchers, einer handelsgerechten Verpackungsgestaltung, die effizientes Supply Chain Management ermöglicht sowie den abverkaufsfördernden Aspekten der Verpackungsgestaltung seitens des Herstellers.  Nur gemeinsam können Hersteller
und Händler diese komplexe Aufgabe lösen. „Optimale und nachhaltige Verpackungsgestaltung ist eine ganzheitliche Aufgabe für Industrie und Handel“, so Pretzel.


Ziele setzen
Der Waschmittelhersteller Henkel stellt Verpackungsentwicklung und -einsatz in puncto Nachhaltigkeit unter klare Zielvorgaben. „Wir müssen mit weniger Ressourcen mehr erreichen“, beschreibt Franz Speer, Director Industry Affairs International Sales Unit von Henkel die Geschäftsstrategie. Das Unternehmen will bis 2030 eine Verdreifachung des geschaffenen Werts im Verhältnis zum ökologischen Fußabdruck erreichen und hat sich eine Effizienzsteigerung um 30 Prozent als 5-Jahres-Ziel gesteckt. Bei der Frage nach der ökologischen Verpackung von morgen richtet Speer den Blick auf die gesamte Lieferkette: Faktoren, die die Nachhaltigkeit beeinflussen reichen von der Rohstoffauswahl über die effiziente Logistik – inklusive Stapelbarkeit, optimale Raumnutzung im Lkw und leichter Regalbestückung in der Verkaufsstelle – bis zur einfachen Entsorgung durch den Verbraucher. „Dabei setzen wir auf Materialien, für die funktionierende Recyclingsysteme bestehen“, so Speer. Bis 2015 will Henkel ausschließlich recycelbare Verpackungsmaterialien für Märkte mit regionalen Sammel- und Recyclingsystemen einsetzen.

Auch das schweizerische Handelsunternehmen Coop vertraut auf den nachhaltigen Wert geschlossener Stoffkreisläufe. „Wenn die Verbraucher das Recyclingsystem kennen und die Verwertungskette nachvollziehen können, dann ist es ein tragfähiges Konzept für die Zukunft“, erläutert Guido Fuchs, Projektleiter Nachhaltigkeit bei Coop. „Das beste Beispiel ist die Sammlung von Altpapier und gebrauchten Papierverpackungen.“ Obwohl nach Erkenntnissen des Handelskonzerns Verpackungen durchschnittlich weniger als ein Prozent der Gesamtumweltbelastung eines Produkts ausmachen, hält Fuchs die Entwicklung ökologischer Verpackungslösungen für wichtig. „Denn unsere Kunden nehmen jährlich etwa 40.000 Tonnen Verpackungsmaterial allein von Produkten unserer Eigenmarken mit nach Hause“, so Fuchs weiter. „Kein Wunder, dass bei ihnen die Reduktion von Verpackungen ganz oben auf der Wunschliste steht.“

Aufklärung leisten
Konsumenten stellen zwar hohe Ansprüche an Unternehmen, prüfen indes ihr eigenes Handeln nicht immer auf Nachhaltigkeit. „Oft fehlen dem Verbraucher einfach die notwendigen Informationen, um eine wirklich ökologische Kaufentscheidung zu treffen“, meint Erich Weber, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Umweltstiftung. Er fordert eine bessere Aufklärung der Verbraucher über ökologische Verpackungen und ihre eigenen Einflussmöglichkeiten, um zum Beispiel Plastikmüll zu vermeiden. „Rohölbasierte Verpackungen haben einfach eine schlechtere Ökobilanz als Wellpappe und andere papierbasierte Verpackungsmaterialien“, sagt  Weber und plädiert für eine Stärkung und Ausweitung des Stoffkreislaufsystems. „Wenn wir weiter kommen wollen, müssen wir das Zeitalter des Recyclings ausrufen und vorleben.“