Ökologisch wie ökonomisch sinnvoll
Prof. Maximilian Gege ist Gründungsmitglied und Vorsitzender von B.A.U.M. e.V. (Bundesdeutscher Arbeitskreis für umweltbewusstes Management e.V.). B.A.U.M. e.V. unterstützt Unternehmen, Kommunen und Organisationen bei der erfolgreichen Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien und ist mit rund 550 Unternehmen verschiedener Größen und Branchen heute die größte Umweltinitiative der Wirtschaft in Europa.
Herr Prof. Gege, welchen Stellenwert nehmen ökologisch sinnvolle Materialien für die Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen ein?
„Unter Aspekten wie Klimarelevanz, Ressourcenschutz und Biodiversität spielen ökologische Materialien und Produkte eine wichtige Rolle. Auf lange Sicht sind diese auch vom ökonomischen Standpunkt aus zu bevorzugen. Unternehmen müssen langfristig wettbewerbsfähig sein und können dies meines Erachtens nur, wenn sie eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen. Diese sollte sowohl ökologischen und sozialen als auch ökonomischen Kriterien genügen. Daher ist der Stellenwert ökologisch sinnvoller Materialien sehr hoch und wird an Bedeutung eher noch gewinnen. Das Bemühen um Nachhaltigkeit kann nur dann glaubhaft und transparent sein, wenn ein Unternehmen dies auch im Bereich der Rohstoffe und Produkte konsequent umsetzt.“
Der Ehrenkodex, dem sich alle Mitglieder von B.A.U.M. e.V. verpflichten, gibt Umweltschutz als eines der vorrangigen Unternehmensziele vor. Welche Rolle spielen Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen dabei?
„Verpackungen aus fossilen Rohstoffen sind als problematisch anzusehen. Dazu tragen unter anderem die Diskussion um Peak Oil (globales Ölfördermaximum) und die zunehmend schwieriger werdende Erschließung neuer Förderquellen bei, ebenso die Entsorgung von Kunststoffmüll in der Umwelt, vor allem in den Meeren. Aus unserer Sicht sind hier Grenzen erreicht und zum Teil bereits überschritten. Da Erdöl für viele wirtschaftliche Prozesse von enormer Bedeutung ist, müssen wir überlegen, wie wir den weniger und immer teurer werdenden Rohstoff Öl am effektivsten einsetzen – auch im Hinblick auf folgende Generationen. Daher ist es ein wichtiger Ansatz, neben der notwendigen Verringerung der Menge eingesetzten Packstoffs, Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Hierbei kommt es auch auf eine Gesamtbetrachtung der ökologischen Vor- und Nachteile an. Denn wie Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), anlässlich der Vorstellung der Studie „Untersuchung der Umweltwirkungen von Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen“ am 8. Oktober bemerkte: 'Verpackungen auf der Basis von sogenannten Biokunststoffen haben unter dem Strich keine Umweltvorteile. Die Klimabilanz von Biokunststoffen ist zwar günstiger, dafür gibt es Nachteile bei anderen Umweltbelastungen.' Es ist also entscheidend, welche nachwachsenden Rohstoffe auf welche Weise eingesetzt werden.“
Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund papierbasierte Verpackungen wie zum Beispiel Wellpappe?
„Papierbasierte Verpackungen sind besonders dann vorteilhaft, wenn ihr Altpapieranteil hoch ist und sie nach Gebrauch möglichst vollständig erfasst und wiederverwertet werden. Das trifft im besonderen Maße auf Wellpappenverpackungen zu. Dieses vorbildliche Kreislaufprodukt wird nach Gebrauch zu nahezu 100 Prozent recycelt. Verbesserungspotenziale im Sinne der Nachhaltigkeit gibt es aber auch hier, gerade weil es sich um nachwachsende Rohstoffe handelt. So ist es z.B. wichtig, dass die Frischfasern für Wellpappe aus naturnahen und zertifizierten Waldbeständen stammen.“
Im B.A.U.M.-Jahrbuch 2012 wird die notwendige Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft thematisiert. Hierbei sind Ressourceneffizienz und Klimaschutz von entscheidender Bedeutung. Wie kann das Recyclingprinzip Ihrer Meinung nach dazu beitragen?
„Wegen des wachsenden Hungers der Welt nach Rohstoffen, der unter anderem durch den Anstieg der Weltbevölkerung auf über 9 Mrd. Menschen bis in das Jahr 2050 und deren stark steigendes Konsumbedürfnis bedingt wird, ist ein anderer Umgang mit Ressourcen notwendig. Gleichfalls muss ein Umdenken bezüglich des Lebenszyklus von Produkten einsetzen. Schon in der Entwicklungsphase muss das Prinzip der Kreislaufwirtschaft bzw. der Recyclinggedanke stärker eingebracht werden, damit wir wertvolle Rohstoffe mehrfach verwenden können. Das Recycling muss gleichzeitig einfach und wirtschaftlich sein. Entsorgungslösungen und Sammelmöglichkeiten müssen optimiert werden, um die Materialien zurückzugewinnen und erneut einsetzen zu können.“
B.A.U.M. e.V. informiert zudem Verbraucher und gibt unter anderem Tipps zum „Entmüllen“ des Hausmülls. Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang die Leistungen des Altpapierkreislaufs in Deutschland ein? Gibt es noch Verbesserungspotenziale?
„Die Altpapiererfassung ist in Deutschland sehr gut etabliert. In den letzten 20 Jahren hat die Papierindustrie den Altpapiereinsatz von knapp 50 auf 70 Prozent steigern können. Dadurch konnten Umweltbelastungen durch die Herstellung von Papier, wie Holz-, Wasser- und Primärenergieverbrauch, deutlich verringert werden. Gleichzeitig ist der Papierkonsum gestiegen, so dass die Verbesserungen durch die produzierte Menge wieder relativiert werden. Daher ist es wichtig, die Altpapierquote anzuheben und die Recyclingfähigkeit neuer Papierprodukte zu sichern. Wichtig ist auch die Kommunikation über die Einsatzmöglichkeiten und Vorteile von Recyclingpapierprodukten gegenüber dem Kunden. Hierbei spielt das Umweltzeichen Blauer Engel eine große Rolle. Es muss darum gehen, den Absatz solcher umweltfreundlichen Papierprodukte massiv zu steigern.“