Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

Interview mit Dr. Sina Leipold, Leiterin der Forschungsgruppe Circulus an der Universität Freiburg

Frau Dr. Leipold, warum beschäftigen Sie sich mit Kreislaufwirtschaft?
Auf der Suche nach Ersatzrohstoffen für Öl, Gas und Kohle setzen Deutschland und viele andere Staaten verstärkt auf die Nutzung von Pflanzen. Sie streben eine Transformation hin zur so genannten Bioökonomie an. Darin liegen aber nicht nur Chancen, sondern zugleich auch wirtschaftliche, ökologische und soziale Herausforderungen. So wachsen etwa die Sorgen um eine Flächenkonkurrenz zwischen dem Anbau von Energiepflanzen und Nahrungsmitteln ebenso wie die Angst vor Risiken, die mit dem Einsatz von Gentechnik zur Ertragssteigerung verbunden sind. In der politischen Diskussion erscheint das Prinzip der Kreislaufwirtschaft immer öfter als Lösung für diese Herausforderungen. Demnach sind beispielweise Pflanzen so zu verwenden, dass die aus ihnen gewonnenen Materialien in der Produktion eingesetzt, über Recyclingstufen mehrfach verwertet und schließlich in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Damit sollen gleichzeitig nachhaltiges Wachstum ermöglicht, der Ressourcenverbrauch gesenkt und Treibhausgasemissionen reduziert werden.

Was erforscht Circulus?
Bislang wurde kaum erforscht, wie das oben beschriebene Ziel zu erreichen ist, wie eine gesamtgesellschaftliche Förderung aussehen kann und welche Risiken damit verbunden sind. Deshalb hat sich die Nachwuchsforschungsgruppe mit dem vollständigen Namen „Transformationspfade und -hindernisse zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in der Bioökonomie – Circulus" zum Ziel gesetzt, diese Fragen aus sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten. Die Gruppe wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in den kommenden fünf Jahren mit insgesamt zwei Millionen Euro gefördert und wird sich mit der Gestaltung einer nachhaltigen Ressourcenwirtschaft der Zukunft auseinandersetzen.

Inwiefern spielen Verpackungen eine Rolle in Ihren Überlegungen?
Die globalisierte und digitalisierte Konsum-Gesellschaft wächst, daher gewinnen Verpackungen aus Wellpappe für den Waren- und Gütertransport zunehmend an Bedeutung. Da Wellpappe zumeist aus recyceltem Material hergestellt wird, ist sie von essenzieller Bedeutung für alle Überlegungen, die die Nachhaltigkeit im Verpackungsbereich betreffen. Als eines der am weitesten verbreiteten Verpackungsmaterialien der Welt könnte Wellpappe ein wichtiger Treiber der Entwicklung hin zur Kreislaufwirtschaft werden.

Was wollen Sie mit Ihrem Projekt konkret erreichen?
Unsere Forschungsgruppe wird anhand von ausgewählten Fallstudien herausarbeiten, wie die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft in verschiedenen Sektoren gelingen kann. Wir wollen auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse gemeinsam mit Akteuren aus Politik und Wirtschaft über Workshops und eine Onlineplattform Transformationsstrategien erarbeiten. Dabei erstellen wir neben wissenschaftlichen Publikationen am Ende auch praxisrelevante Handlungsempfehlungen. Auf Grundlage der wissenschaftlichen Ergebnisse und der Perspektiven der Praxispartner entwickeln wir Verfahren für Innovationsstrategien oder Kriterienkataloge für Innovationen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft. Außerdem werden policy briefs mit Empfehlungen erarbeitet, die etwa für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das Bundesumweltministerium sowie die Europäische Kommission relevant sind.

Wie sieht die Projektarbeit aus?
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden die politischen Initiativen und Rahmenbedingungen ebenso untersuchen wie die wirtschaftliche Praxis in einzelnen Firmen, die bewusst auf Stoffkreisläufe setzen: Sie nehmen beispielsweise deren Supply Chains, Materialflüsse, Produktneuentwicklungen und Innovationsstrategien unter die Lupe. Setzen die Unternehmen leicht zu recycelnde Materialien ein, experimentieren sie mit neuen Rohstoffen, konzipieren sie die Produkte kreislaufgerecht? Darüber hinaus beleuchten die Forscher auch die Vorstellungen von Kreislaufwirtschaft bei Vertretern verschiedener Wirtschaftsbranchen, zum Beispiel Biotechnologie, Holzwirtschaft, Verpackungsindustrie.

Welchen Beitrag können Wellpappenhersteller leisten?
Die Wellpappenindustrie kann sich mit konkreten Fallbeispielen für innovative Produkte oder Prozesse aktiv einbringen. Die Branche hat damit die Möglichkeit, bei der Ausarbeitung von Empfehlungen für die Wirtschaft und politische Entscheidungsträger in Deutschland und darüber hinaus mitzuwirken.