„Wir verpacken ökologisch“ – Interview mit Martina Hörmer, Geschäftsführerin von Ja! Natürlich

Mit der Biomarke Ja! Natürlich haben Sie beim Thema „Green Packaging“ Pionierarbeit geleistet. Was haben Sie seit 2011 alles erreicht?

Aus unserer Verantwortung für Mensch, Tier und Umwelt heraus haben wir seit 2011 durch Reduktion von Verpackungen und die Umstellung auf Green Packaging insgesamt rund 1.000 Tonnen Plastik bei Obst und Gemüse eingespart, was der Ladung von 140 Müllwägen entspricht! Wir arbeiten seit nunmehr fast 10 Jahren unter Hochdruck daran, den Plastikanteil im gesamten Warenangebot zu verringern und sind stolz auf das, was wir gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern sowie unserer Bio-Community erreicht haben. Wichtig ist dabei, im Lebensmittel-Bereich immer darauf zu achten, dass durch Verpackungsalternativen oder das Weglassen von Verpackungen nicht der Verderb beschleunigt, die Verschwendung von Lebensmitteln vorangetrieben und der Klimafußabdruck erhöht wird. Ein gutes Beispiel sind Karotten oder Mini Gurken, die im losen Verkauf einfach zu rasch verderben und dann schon im Supermarkt oder spätestens zu Hause im Müll statt auf dem Teller landen. Das zeigen leider alle Tests und das wollen wir natürlich nicht! Daher haben wir für die Ja! Natürlich Karotten beispielsweise einen biologisch abbaubaren Beutel aus nachwachsenden Rohstoffen im Einsatz, der die Haltbarkeit nicht nur gegenüber dem losen Verkauf, sondern auch gegenüber einer herkömmlichen Plastikverpackung sogar noch erhöht. Was will ich damit sagen: Bei jedem Produkt muss abgewogen werden, ob es eine Verpackung braucht bzw. wie benötigte Verpackungen unter Berücksichtigung aller Verpackungsfunktionen (Produktschutz, Produktsicherheit, Transportfähigkeit etc.) für das jeweilige Produkt ökologisch optimiert werden können. Das macht Green Packaging so wahnsinnig aufwendig. Als Vorreiter in dem Bereich möchten wir bei Ja! Natürlich nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen, sondern bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein Bewusstsein für eine ganzheitliche Sicht auf das Thema Green Packaging schaffen!

Ein zentrales Motto für 2020 heißt bei Ja! Natürlich „Raus aus einem Meer von Plastik“. Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um Kunststoff zu ersetzen?

Wir stellen seit 2011 unsere Verpackungen bei Obst und Gemüse schrittweise auf losen Verkauf und Green Packaging um: mit Zellulose-Folie oder -Netzen aus FSC zertifiziertem Holz, mit Papierstickern statt Plastikbeuteln, Laser Branding sowie dem Einsatz von Graspapier und biologisch abbaubaren Beuteln als Verpackungs-Alternativen. Zellulose-Netz und -Folie bestehen aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz und sind PEFC-zertifiziert. Das Gras, welches bei unseren Graspapiertassen zum Einsatz kommt, stammt von extensiv bewirtschafteten und ökologisch wertvollen Wiesen. Die Grünflächen werden nicht gedüngt oder chemisch behandelt. Solche Erfolge sind stets Ergebnis intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit und nur Schritt für Schritt zu verwirklichen. Und es ist wichtig, mutig zu denken und auch mal Rückschläge zu riskieren. Unser Motto lautete dabei von Anfang an: so viel Verpackung wie nötig – so wenig wie möglich. Wo immer es geht, bieten wir lose und ohne Verpackung an. Wo dies aus Gründen der Hygiene oder der Haltbarkeit nicht möglich ist, minimieren wir den Einsatz fossiler Rohstoffe – vor allem verzichten wir auf Plastik. Neben Obst und Gemüse verpacken wir immer stärker auch andere Produktkategorien nachhaltiger. So sind unsere Nudeln kürzlich in Papierverpackung in die Regale gekommen, wir bieten seit einigen Wochen losen Tee in einer Verpackung aus Graspapier an und auch für Hobby-Gärtnerinnen und -Gärtner gibt es die Ja! Natürlich Bio-Samen bereits in Graspapier Säckchen, einige davon sogar ohne Aluminium-Innenbeutel. Die Einführung der langersehnten Milchglasflasche in der Mehrwegvariante im Februar war überhaupt ein Highlight und schlägt sich in sehr erfreulichen Verkaufszahlen nieder.

Laut einer aktuellen Studie könnten mehr als 20 Prozent der Kunststoffverpackungen durch Verpackungslösungen aus Wellpappe ersetzt werden. Sie setzen bei Verpackungen vor allem auf nachwachsende Rohstoffe – wo kann Karton / Wellpappe Kunststoff Ihrer Erfahrung nach sinnvoll ersetzen oder zumindest reduzieren?

Bei Obst und Gemüse wurden viele Artikel von Plastiktassen in Kartonagen umgepackt. Beginnend bei Tomaten, Heidelbeeren, Mini Gurken, etc. Der Prozess ist nun beinahe abgeschlossen. Vor rund einem Jahr haben wir die Ja! Natürlich-Käseverpackung in der Feinkost auf Papiertassen umgestellt. Damit konnte der CO2-Fußabdruck im Vergleich zur davor verwendeten Plastiktasse um rund zwei Drittel reduziert werden. Für das naturbraune Papier wird heimisches Holz verwendet, die Fertigung der Verpackung erfolgt zur Gänze in Österreich. So können Transportwege kurz und die Wertschöpfung in Österreich gehalten werden. Derzeit testen wir eine ähnliche Verpackung auf Karton-Basis auch für Wurst bzw. Fleisch. Das ist allerdings extrem herausfordernd. Eine Umstellung ist überall dort sinnvoll, wo die Vorteile des Kartons die Nachteile eines erhöhten Verderbs überwiegen. 

Was zeichnet Verpackungen aus Papier / Karton / Wellpappe Ihrer Meinung nach besonders aus?

Die Ja! Natürlich Verpackung richtet sich an Kunden, für die Ethik und Ästhetik zählen, denen Nachhaltigkeit wichtig ist. Papier, Karton & Co. sind aus nachwachsenden Rohstoffen, aus Zellulosefasern von Holz oder Gras, sie sind umweltfreundlich und problemlos im Altpapier zu entsorgen. Ein hoher Anteil wird recycelt. Daher muten Verpackungen aus Papier & Co. sehr positiv an, stärken unser an Nachhaltigkeitswerten ausgerichtetes Markenimage, werden verstanden und zeigen hohe Akzeptanz.  Darüber hinaus sind sie vielseitig einsetzbar, für trockenes Füllgut wie Nudeln und Reis, aber auch Obst und Gemüse sind in Kartonagen ideal verpackt. Packung ist Botschaft. Verpackungen transportieren das Programm und Konzept der Marke, sie sind Träger wichtiger Informationen. Impact und Werbewirksamkeit am POS sind entscheidend. Papier und Karton sind sehr gut zu bedrucken – damit tragen sie zur Sichtbarkeit als auch zum Image unserer Marke gut bei. 

Das „Plastiksackerl“ ist in Österreich seit dem 1.1.2020 verboten. Welche Alternativen bieten Sie Ihren Kunden an? 

Das Zellulosenetz – beispielsweise bei Zitrusfrüchten im Einsatz – wurde von Ja! Natürlich mit dem Verpackungszentrum Graz entwickelt und Ende 2018 in großem Stil bei der REWE Group in Österreich ausgerollt. In Form einer Mehrweglösung als Netz für den Bereich Obst und Gemüse löste es das klassische Plastiksackerl ab. Was uns besonders freut: Seit Einführung des Netzes konnten 12 Millionen Plastiksackerl gespart werden. Unsere Handelsfirmen BILLA, MERKUR und ADEG bieten darüber hinaus im Obst und Gemüse Bereich noch weitere umweltfreundlichere Alternativen zu den Plastiksackerln an, wie die Knotenbeutel aus Kartoffelstärke oder Papiersackerl. Und bei vielen Produkten, von denen man nur ein Stück kauft oder die miteinander verbunden sind, wie z.B. Bananen, braucht es oft gar kein Sackerl. Es ist üblich geworden, die Klebeetiketten der Waage direkt aufs Produkt zu kleben und in den mitgebrachten Einkaufskorb zu legen.

Mehr Recycling gilt als wichtigster Erfolgsfaktor für ökologisches Verpacken. Wellpappe verfügt über einen geschlossenen Stoffkreislauf. Was unternimmt die REWE Group, um das Recycling insgesamt zu stärken?

Unter dem Motto „reduce, replace, recycle“ sensibilisieren wir als Ja! Natürlich aber auch die REWE Group insgesamt die Konsumentinnen und Konsumenten für Verpackungsvermeidung und die richtige Entsorgung von Plastik-Abfällen. Die mehr als 200 verschiedenen Kunststoffe, die wir in der Alltagssprache als Plastik bezeichnen, haben gerade im Bereich der Lebensmittel auch viele Vorteile. Die vieldiskutierten negativen Seiten von Plastik liegen ja nicht am Material selbst, sondern am Umgang des Menschen damit. Von den rund 400 Millionen Tonnen Plastik, die jährlich weltweit hergestellt werden, ist mehr als ein Drittel Verpackungsmaterial, das größtenteils nur ein einziges Mal verwendet wird. Ein nachhaltiger Umgang beim Thema Verpackungen heißt nicht nur Vermeidung von Verpackung, sondern vor allem auch, den Materialeinsatz und die Wieder- und Weiterverwertung von Verpackungsstoffen zu optimieren. Oft herrscht aber auch Verwirrung darüber, wie am besten entsorgt wird. Um Klarheit zu schaffen, drucken wir auf unsere nachhaltigen Verpackungen Informationen zum Material – woraus besteht die Verpackung, warum ist sie nachhaltig – und zur Entsorgung – etwa „Zum Altpapier“. Eine einheitliche Kommunikation über die Entsorgung von Kunststoffverpackungen ist kritisch, da keine flächendeckende einheitliche Sammelart besteht. Es gibt regionale Unterschiede, ob über die Gelbe Tonne/Gelber Sack nur Hohlkörper oder auch Folien sowie formstabile Verpackungen gesammelt werden. Die Kunden müssen hier regional unterschiedlich vorgehen. Auch kompostierbare Verpackungen werden aktuell in Städten besser über den Restmüll denn die Biomüll-Tonne entsorgt, da es noch keine entsprechende einheitliche Sammelschiene gibt. Das Recycling von Plastikfolien ist zwar möglich, aber diese Folien dürfen für Lebensmittel aktuell nicht eingesetzt werden (Ausnahme PET). Wann es eine Zulassung für Lebensmittel gibt, ist offen.

Bild: Ja! Natürlich / REWE International