Imagefaktor Recycling: Wie Handelsunternehmen von Kreislaufverpackungen profitieren

Da läuft etwas aus dem Ruder: Medien, Politik und die meisten Verbraucher haben „Plastik“ den Kampf angesagt. Gemeint sind Kunststoffverpackungen, die inzwischen als ökologischer Problemfall gelten. Der Grund: Es gibt einfach zu viele davon und nur ein kleiner Teil davon wird recycelt. Seit 1994 hat sich die Menge an Kunststoffabfall in Deutschland auf inzwischen fast sechs Millionen Tonnen verdoppelt. Nur etwas mehr als eine Million Tonnen Joghurtbecher, Chipstüten und Shampoo-Flaschen wird für die Herstellung von Recyclingmaterial genutzt. Der Rest wird verbrannt oder exportiert. Ähnlich ist das Bild in Österreich und der Schweiz.

 

Mythos Kunststoffrecycling

Die allseits bekannten Bilder und Berichte von Müllteppichen im Meer und verendeten Walen, deren Mägen voller Müll sind, alarmieren die Menschen. Groß aufgemachte Storys in deutschsprachigen Leitmedien räumen auf mit dem Mythos vom Kunststoffrecycling. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass ein Teil der vom Verbraucher sorgfältig getrennt entsorgten Plastikhüllen bis nach Malaysia oder Indonesien verschifft und dort zur langfristigen Umweltbelastung wird. Nach Recherchen der ZEIT-Redaktion landen jährlich 1.400 Tonnen deutscher Plastikmüll in den Weltmeeren.  

Mit ambitionierten Recyclingzielen und Verboten bestimmter Kunststoffartikel wie Einweggeschirr will die Politik dagegenhalten. Allerdings stehen auf dem Weg zu besserem Recycling hohe Hürden: Insbesondere die Vielfalt der als Verpackung eingesetzten Kunststoffsorten und Materialverbünde macht die Verarbeitung zu Recyclingrohstoffen teuer und aufwändig. Hinzu kommen gesetzliche Beschränkungen – etwa beim Einsatz von Kunststoff-Rezyklaten als Lebensmittelverpackung.

 

Verbraucher wollen Nachhaltigkeit

Für immer mehr Unternehmen stellt sich damit die Frage, wie sie mit ihrer Verpackungsstrategie einen möglichst geschlossenen Stoffkreislauf fördern und damit ökologisches Verantwortungsbewusstsein demonstrieren können. Dass eine an Nachhaltigkeit orientierte Verpackungsstrategie zunehmend auch Einfluss auf die Kaufentscheidung der Verbraucher hat, belegt eine im Juni 2019 veröffentlichte Umfrage des Deutschen Verpackungsinstituts (dvi). Danach hat jeder zweite Konsument schon einmal „ein Produkt nicht gekauft, weil es nicht nachhaltig verpackt war“.

Recycling und die Vermeidung von Plastikmüll sind dabei wesentliche Kriterien, wie aktuelle Erkenntnisse der Gesellschaft für Konsumforschung aufzeigen: Bei einer Befragung von 27.000 Haushalten in mehreren europäischen Ländern nannten die Menschen die Verschmutzung durch Plastikmüll als wichtigstes Umweltthema. Gefördert wird die Sensibilität für nachhaltige Verpackung durch die lauter werdenden Klimaschutzforderungen der Fridays-for-Future-Bewegung. Nach Aussage der Konsumforscher sind die Themen Klimaschutz und Plastikmüll eng miteinander verbunden.

 

Imagegewinn durch Plastikverzicht

Handelsunternehmen haben inzwischen die recyclinggerechte Verpackung als Schlüssel für einen guten ökologischen Ruf erkannt. Sie stehen in besonderer Weise im Licht der Öffentlichkeit, weil sie täglich Millionen von Verbraucherkontakten haben. Und letztlich entscheiden die Händler, in welcher Verpackung die Produkte bei ihnen im Regal stehen. Und auch das hat die GfK deutlich ermittelt: Handelsunternehmen können sich mit ihrem Engagement geschickt als Anwälte umweltorientierter Shopper positionieren. Denn die Mehrheit der Verbraucher erwartet zuallererst von den Herstellern, etwas gegen die Plastikverschmutzung zu unternehmen. Händler werden eher als Akteure gesehen, die Zeichen setzen und Druck ausüben können.

Und das tun sie. So haben sich die großen deutschen Filialisten REWE und Edeka entschlossen, auf Plastiktüten zu verzichten und stattdessen Kartons aus Wellpappe anzubieten und damit den Kunden den Transport der Einkäufe zu erleichtern. Auch in Österreich und der Schweiz gehört die Einkaufshilfe aus Wellpappe zu den Alternativangeboten, um den Verbrauch von „Plastiksackerl“ und „Plastiksäckli“ einzudämmen.

 

ALDI für mehr Recycling

Für den international aufgestellten Discounter ALDI steht das Recycling neben der Reduzierung von Verpackungsmaterial auf der Tagesordnung ihrer Verpackungsstrategie. So kündigen die beiden Unternehmensteile ALDI Nord und ALDI SÜD gemeinschaftlich an, spätestens 2022 ausschließlich recyclingfähige Verpackungen für das Produktsortiment in den Läden nutzen zu wollen. Mit dieser Selbstverpflichtung wolle man „den wichtigen Ausbau der Kreislaufwirtschaft“ fördern, heißt es in einer entsprechenden Erklärung. Bei dem Bestreben um Plastikvermeidung greifen die Alidianer auch zu symbolischen Mitteln mit offensichtlich erzieherischem Charakter: Seit kurzem verlangt der Discounter eine Art Umweltgebühr von einem Cent für die Obstbeutelchen aus hauchdünnem Kunststoff, die häufig von Verbrauchern als Ersatz für die herkömmlichen Plastiktüten genutzt werden.

Ganz bewusst auf Kunststoffverpackungen verzichtet dagegen der holländische Lebensmittelfilialist Ekoplaza. In den Regalen finden die Verbraucher nur noch wiederverwendbare und recycelbare Materialien wie Glas, Karton und Wellpappe. Obst und Gemüse wird ebenfalls folienfrei und ohne Plastikschälchen präsentiert.

 

Ganz unverpackt geht nicht

Vollkommen auf Verpackung zu verzichten streben dagegen die so genannten Unverpackt-Läden an. Das Maximum an Verpackungsreduzierung erreichen die meist kleineren Öko-Läden in großstädtischen Milieus durch den Verkauf loser Ware wie Müsli, Getreide oder Hülsenfrüchte und Non-Food-Plastikalternativen wie kompostierbare Bambuszahnbürsten. Und auch wenn diese Nischenform des Einzelhandels kaum das Potential für die flächendeckende Versorgung breiter Bevölkerungsschichten haben dürfte, ist ihre zunehmende Verbreitung doch eine deutliche Bestätigung für die Stärke des Nachhaltigkeitstrends.

Im Übrigen: Ganz ohne Verpackung kommt die Ware natürlich auch nicht in den „Unverpackt“-Laden. Geliefert wird meist ökologisch korrekt in Transportverpackungen aus Wellpappe. Garantiert 100 Prozent recyclingfähig.