Megatrend Neo-Ökologie: Kreislaufmodellen gehört die Zukunft

Interview mit Daniel Anthes, Projektleiter und Redakteur des Zukunftsinstituts in Frankfurt

Herr Anthes, die meisten Experten sind sich einig: Lineare Modelle der Ressourcenausbeutung sind von gestern, Kreislaufmodellen gehört die Zukunft. Wo sehen Sie für den Verpackungsbereich die größten Herausforderungen, solche Modelle zu etablieren?

Keine Frage: Die Kreislaufwirtschaft wird kommen. In Zukunft wird es keinen Abfall mehr geben, sondern nur noch  Rohstoffe, die in geschlossenen Kreisläufen zirkulieren. In unserer Studie „Supply Chain 2025“ haben wir die Entwicklung als Teil des Megatrends „Neo-Ökologie“ beschrieben. Für den Verpackungsbereich besteht die größte Herausforderung darin, die Produkte so zu konzipieren, dass sie nach dem Ende ihrer Verwendung möglichst ohne Wertverlust weiter- bzw. wiederverwendet werden können. Das erfordert aber, dass die „Zweitnutzungsphase“ schon während der Design- und Produktionsphase entsprechend berücksichtigt wird und zu jedem Zeitpunkt transparente Informationen über die verwendeten Stoffe vorliegen. Klar ist auch, dass es ohne den Verbraucher nicht geht, denn dieser muss die Verpackungen wieder in den Kreislauf zurückführen, beispielsweise über die korrekte Mülltrennung oder die Nutzung von Rücknahmemechanismen. Doch ganz gleich, ob Produktion, Verbrauch, Entsorgung oder Wiederverwertung: Hier ist ein ganzheitlich integriertes Handeln nötig, um wirklich etwas zu verändern. Letztlich sind natürlich auch die wirtschaftlichen Potenziale für die Industrie enorm. Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass zukünftig auch neue Konkurrenzsituationen entstehen werden und zwar unter anderem durch den Einsatz von biologisch-abbaubaren oder vielfach wiederverwendbaren Materialen, die den nachhaltigkeits-getriebenen Wettbewerb weiter anfeuern. Fakt ist, dass durch die gesellschaftliche Sensibilisierung hinsichtlich Klimawandel und Ressourcenverknappung das Thema „Green Packaging“ immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Welche Rolle spielt dabei die Lieferkette des Handels? Wie kann die Logistik „grüner“ werden?

Die Logistik muss bei diesem Prozess eine zentrale Rolle spielen, denn sie ist nach Handel und Automobilindustrie (gemessen an Umsatz und Beschäftigung) der drittgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands. Mit prognostiziertem weiterem Wachstum des Logistikmarktes in Zeiten von E-Commerce & Co. wächst auch der Druck auf die Branche, sich nachhaltiger bzw. „grüner“ aufzustellen. Und ich meine hier ernsthafte nachhaltige Geschäftsmodelle, nicht nur „Greenwashing“ in Form von Marketing- oder Kommunikationsstrategien. Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, sich als Logistik-Unternehmen nachhaltiger aufzustellen. Primäres Ziel sollte es ja immer sein, die eigene Ökobilanz zu verbessern. Das kann man heute parallel zur Optimierung der Kostenstruktur erreichen. Besonders erfolgversprechend sind Abfallvermeidungsmaßnahmen im Sinne einer „Circular Supply Chain“, konkret heißt das: die Nutzung von recycelbaren Verpackungen. Auch Kollaborationsplattformen können als Hebel für Nachhaltigkeit genutzt werden, indem Wettbewerber über Sharing-Modelle enger zusammenarbeiten und so erhöhte Nutzungsraten für Infrastruktur oder Ausstattung ermöglichen. „Product as a service“ kann somit auch bei Zulieferern und Geschäftskunden funktionieren und über vertikale und horizontale Kooperationen entlang der Lieferkette einen nachhaltigen Beitrag leisten.   

Wie schätzen Sie den Stoffkreislauf faserbasierter Verpackungen ein?

Schauen wir uns hierzu die historische Entwicklung an: 1990 setzte die Papierindustrie in Deutschland lediglich knapp 50 Prozent an Altpapier ein, 2015 waren es schon 74 Prozent. Im vergangen Jahr wurden hierzulande rund 15,4 Millionen Tonnen Papier und Pappe eingesammelt und wieder zu Papier und Verpackungen verarbeitet. Europa ist im weltweiten Vergleich sogar führend beim Recycling von Altpapier. Hier liegt die Quote bei über 70 Prozent. Damit einher gingen über die Jahre auch signifikante Reduzierungen beim Wasser- und Energieverbrauch. Der deutliche Effizienzgewinn darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass – parallel zu dieser positiven Entwicklung – der Papierkonsum in Europa ebenfalls drastisch angestiegen ist. Und das gilt auch für Verpackungen. Es ist davon auszugehen, dass der Verpackungsbedarf weiter steigen wird – ausgelöst durch den Trend zu Ein-Personen-Haushalten, zunehmender Mobilität und wachsendem E-Commerce. Umso wichtiger, dass papierbasierte Verpackungen ihr Nachhaltigkeitsprofil weiter schärfen.

Besuchen Sie den Anuga-Lunch-Talk am 9.10.2017 in Köln und erfahren Sie mehr über das Zukunftsmodell Stoffkreislauf.