„Weniger schädliche Klimagase“ – Interview mit Prof. Sina Leipold, Uni Freiburg

Frau Prof. Leipold, Sie haben die Klimaeffekte verschiedener Verpackungen untersucht. Was ist dabei herausgekommen?

Zwei der meist genutzten Verpackungsmaterialien für Obst und Gemüse, PET-Kunststoff und Wellpappe, haben wir am Beispiel Obstkörbchen verglichen. Die Ergebnisse (zusammengefasst in diesem Policy Brief) zeigen, dass ein Wellpappen-Obstkörbchen aufgrund des Treibhausgasabbaupotenzials von biologischen Rohstoffen weniger schädliche Klimagase verursacht als ein entsprechendes PET-Obstkörbchen. Würde man PET-Obstkörbchen deutschlandweit durch Wellpappe ersetzen, könnten die jährlichen CO2-Emissionen für die Herstellung von Obstkörbchen um 34 Prozent reduziert werden.

Welche Empfehlungen können Sie daraus ableiten?

Für die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks von Obst- und Gemüseverpackungen schlagen wir auf dieser Basis folgende Leitlinien vor: Zuvorderst sollte, soweit möglich, der Verkauf von losem Obst und Gemüse Priorität haben. Dann sollte Wellpappe als Verpackungsmaterial vor PET erwogen werden. Generell sollten für die Herstellung von Verpackungen aller Art möglichst Rezyklate genutzt werden, dies gibt auch das Deutsche Verpackungsgesetz 2019 vor.

Wie fügt sich diese Untersuchung in das gesamte Forschungsprojekt Circulus ein?

Im Forschungsprojekt Circulus untersuchen wir politische Initiativen hin zu einer bio-basierten Kreislaufwirtschaft und führen ökologische Bewertungen von ausgewählten Kreislaufstrategien durch. Die Studie zu Klimaeffekten verschiedener Obstkörbchen-Varianten ist Teil der ökologischen Bewertungen. Sie schließt gleichzeitig gut an eine unserer politischen Studien an. Diese Untersuchung befasst sich mit dem Deutschen Verpackungsgesetz 2019. Sie zeigt, dass die mit dem Gesetz befassten Interessengruppen eher enttäuscht von den neuen gesetzlichen Vorgaben für den Verpackungsmarkt sind. Das liegt daran, dass die Politik sich in Streitigkeiten zwischen Befürwortern eines privaten und eines öffentlichen Systems zur Abfallsammlung verfing. Diese Konflikte zu meistern ist entscheidend für den Weg zu einer Kreislaufwirtschaft.

Welche Rolle spielen Verpackungen aus faserbasierten Rohstoffen für den Aufbau einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft?

Sie werden immer wichtiger. Unsere Studie sowie die jährlich veröffentlichten Zahlen des Umweltbundesamts zum Verpackungsmarkt zeigen, dass der Anteil faserbasierter Verpackungen in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Für einen Teil dieses Aufwärtstrends ist der zunehmende Online-Handel mit seinem hohen Verpackungsaufkommen verantwortlich. Daneben spielt aber auch der Trend zur „nachhaltigen“ Verpackung eine Rolle. Papier- und Faser-Verpackungen werden generell von der Bevölkerung als nachhaltiger wahrgenommen. Sie erfreuen sich deshalb wachsender Beliebtheit. Dieser Trend kann CO2-Ausstöße verringern. Das hilft uns allerdings nur, wenn wir das Verpackungsaufkommen insgesamt reduzieren.

Gesundheitsthemen bestimmen derzeit die politische Agenda. Hat sich die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft durch die Pandemie verändert?

Die öffentliche Aufmerksamkeit hat sich zwar zweitweise etwas verlagert, aber grundsätzlich ist das Interesse am Thema Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie ungebrochen. Wir merken das beispielsweise daran, dass wir verstärkt Anfragen für Vorträge oder Interviews erhalten. Ich erwarte, dass die Kreislaufwirtschaft und weitere Themen des Umweltschutzes in Zukunft zusätzliche Aufmerksamkeit erfahren werden.

Die in einem Policy Brief zusammengefassten Ergebnisse der Klimaauswirkungen von Obstschälchen stehen auch auf der FÖV-Website zum Download bereit.

Bild: Sina Leipold