NGO-Veranstaltung: „Wir brauchen eine neue Aufklärung“

„Viele Aspekte unseres Lebens stammen aus der Zeit, als die Welt noch leer war – also bis etwa 1950“, sagt Ernst Ulrich von Weizsäcker. „Und diese Art zu Leben ist nicht sehr nachhaltig. Wir befinden uns in der Ära des Anthropozäns, in dem der Mensch der wichtigste Einflussfaktor für seine Umwelt geworden ist. Für diese volle Welt, wie ich sie nenne, benötigen wir dringend eine neue Aufklärung. Und deren wichtigstes Prinzip wird Balance sein.“

Der Ehrenpräsident des Club of Rome, ehemaliger Co-Vorsitzender des International Resource Panel und Grandseigneur der Umweltbewegung, sprach die Keynote auf der FÖV-Veranstaltung „Ökologische Verpackungen in einer Post-Öl-Gesellschaft“ in Berlin. Darin spannte er den Bogen von Plastikmüll im Meer über die klimaschädliche Nutztierhaltung und die päpstliche Enzyklika „Laudato Si“ bis zu den großen Denkern der Neuzeit wie John Locke und Adam Smith. Kerngedanke war die Forderung des International Resource Panel, die Wohlstandsentwicklung vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln. Von Weizsäcker beendete seinen Vortrag mit den Worten: „Ich weiß nicht viel über Verpackungen, aber sicher ist: Bei der effizienteren Nutzung von Ressourcen kann die Verpackungsindustrie ihren Beitrag leisten.“

 

Im Gespräch mit NGOs

Das sahen die anwesenden Vertreter von Nichtregierungsorganisationen ebenso. Das FÖV hatte verschiedene Umweltorganisationen in das Haus der Land- und Ernährungswirtschaft eingeladen, um einen zwanglosen Gedankenaustausch über Möglichkeiten aus dem Plastikmüll-Dilemma zu pflegen. Vertreter des WWF, des Vereins „Küste gegen Plastik, von B.A.U.M., der Deutschen Umweltstiftung, der Deutschen Umwelthilfe und des Bundesverbandes für Umweltberatung waren der Einladung gefolgt. Jörg Sommer, Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung und FÖV-Beirat, moderierte die Veranstaltung.

Peter Feller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie und ebenfalls FÖV-Beirat, machte als Gastgeber zunächst die Position der Lebensmittelhersteller deutlich. „Verpackungen stellen ein unverzichtbares Hilfsmittel dar, um den sicheren Transport unserer Produkte zum Verbraucher zu gewährleisten. Neben funktionalen und ökonomischen Anforderungen werden zunehmend ökologische Ansprüche an die Konzeption und die Verwertung  von Verpackungen gestellt, denen die Branche durch zahlreiche Aktivitäten Rechnung trägt.“

 

Breites Spektrum an Forderungen

„Aber bitte mit weniger Verpackungen“, so die einhellige Forderung aller NGOs. Bei der Bewertung möglicher Strategien und einzelner Materialien gingen die Meinungen der Umweltorganisationen jedoch auseinander. Von der Ansicht, grundsätzlich jede Verpackung sei schlecht und zu vermeiden, bis zur differenzierten Betrachtung der biologischen Abbaubarkeit einzelner Materialfraktionen und der Forderung nach Aufbau eines wirklich relevanten Marktes für Recyclingkunststoffe reichten die Beiträge. Dr. Oliver Wolfrum, Generalbevollmächtigter des FÖV, wies auf die Vorreiterrolle der Wellpappenindustrie auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft hin. So werde Wellpappe in Deutschland, Österreich und der Schweiz nahezu vollständig recycelt. In Deutschland hergestelltes Wellpappenrohpapier besteht beispielsweise zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial.

 

Gemeinsames Handeln zählt

Einig waren sich alle Teilnehmer wiederum darin, dass die Wege zum ökologischen Verpacken nur gemeinsam mit allen Beteiligten – Verpackungshersteller, Industrie, Handel, Politik und NGOs – beschritten werden können. FÖV-Beiratsmitglied Michael Kuhndt, Executive Director des Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production, legte dar, dass im Handel bereits intensiv über Vermeidungs- und Wiederverwertungsstrategien für Verpackungen gesprochen wird. „Viele Handelsunternehmen sind inzwischen bereit, gemeinsame Konzepte mit ihren Partnern zu erarbeiten und testweise umzusetzen.“ Denn auch darauf wies Kuhndt hin: „Letztlich setzen sich nur solche Lösungen durch, die den Verbraucher überzeugen.“

Moderator Sommer zog aus der Diskussion das Fazit, dass es großer gemeinsamer Anstrengung aller Beteiligten bedarf, um die von Weizsäcker geforderte Entkopplung von Wohlstand und Naturverbrauch zu erreichen. „Wir müssen das gesamte System im Blick haben – und alle müssen gemeinsam anpacken.“