Recyclingtalent Papierfaser

Studien belegen die Kreislaufeigenschaften faserbasierter Verpackungen wie Wellpappe – Interview mit Prof. Samuel Schabel, TU Darmstadt

Klimawandel stoppen, Treibhausgasemissionen begrenzen – diesem Ziel haben sich Wirtschaft und Politik verschrieben. Aber welchen Beitrag können Verpackungen dazu leisten? Die mit der europäischen und deutschen Gesetzgebung verbundenen Prioritäten sind klar: Überverpackung vermeiden, Einweg-Plastik reduzieren, Verpackung mehrfach verwenden oder recyceln. Aber wie oft lassen sich Papierfasern eigentlich recyceln? Forschungsergebnisse widerlegen die über viele Jahre angenommenen sechs bis sieben Zyklen: Mehr als zwanzigmal kann die Papierfaser auf eine neue Reise als Rohstoff für Verpackungen gehen. Zu den Hintergründen haben wir mit einem der verantwortlichen Studienautoren, Prof. Samuel Schabel von der TU Darmstadt, gesprochen:

 

Herr Prof. Schabel, mehr Kreislaufwirtschaft soll dazu beitragen, die große Zukunftsaufgabe Klimaschutz zu bewältigen. Welche Rolle können dabei papierbasierte Verpackungen wie Wellpappe spielen?

Papierbasierte Verpackungen bestehen aus einem nachwachsenden Material und sind sehr oft rezyklierbar. Damit sind diese Produkte ganz im Sinne der Ziele von Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft. Unzählige Produkte müssen verpackt werden, um sie sicher zu transportieren oder zu lagern. Für viele solche Anwendungen sind papierbasierte Verpackungen ideal. Noch benötigt die Herstellung von Papier und das Recycling viel fossile Energie. Aber die Branche arbeitet intensiv an CO2-freien Produktionsprozessen und an der Reduktion der benötigten Energie. Damit werden die für die Kreislaufwirtschaft wichtigen Indikatoren noch besser.

 

Sie haben an Ihrem Institut die Recyclingeigenschaften von Wellpappenrohpapieren genauer untersucht. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Wir haben für Wellpappenrohpapiere im Labor- und teilweise auch im halbtechnischen Maßstab bis zu 20-mal den Kreislauf aus Papierherstellung, Wellpappenerzeugung, Stoffaufbereitung simuliert und verschiedene Papier- und Fasereigenschaften bestimmt. Wie schon von grafischen Papieren bekannt, ändern sich die mechanischen Eigenschaften der Fasern und der Papiere im Wesentlichen beim ersten Verarbeitungszyklus durch Veränderungen an der Faseroberfläche (die so genannte Verhornung). Bei allen weiteren Zyklen bleiben die mechanischen Eigenschaften sehr stabil. Verunreinigungen durch feine Partikel, etwa aus Druckfarben, nehmen über die Recyclingzyklen etwas zu, da die Aufbereitungsanlagen für Wellpappenrohpapiere heute in der Regel keine Prozesse zur Entfernung von Druckfarben beinhalten. Damit sind die Veränderungen an der Faser nicht der limitierende Faktor für ein vielfaches Recycling von Papieren. Limitierend sind heute die unvermeidbaren Verluste durch Trennprozesse zur Entfernung unerwünschter Bestandteile.

 

Inwieweit lassen sich die im Labor gewonnenen Erkenntnisse auf die Praxis übertragen?

Diese Laborergebnisse lassen sich sehr gut auf die Praxis übertragen, da die Simulationen im Labor und in der Hochschule mit etablierten Standard-Methoden durchgeführt wurden.

 

Welche Voraussetzungen im Stoffkreislauf müssen erfüllt sein, damit Papierfasern aus Wellpappenverpackungen möglichst oft recycelt werden?

Die reinen Papierfasern können sehr oft rezykliert werden. Das Problem kommt von Materialien, die beim Recycling entfernt werden müssen. Die dafür nötigen Trennprozesse arbeiten nämlich nicht ohne Verluste an eigentlich noch brauchbaren Fasern. Je mehr Verunreinigungen im Altpapier, desto größer auch die Verluste an „guten“ Fasern beim Recycling. Solche Verunreinigungen sind zum einen auf den Eintrag von Störstoffen, beispielsweise in Sammelsystemen zurückzuführen, zum anderen sind es auch Bestandteile von Verpackungen wie etwa Druckfarben und Klebstoffe. Wenn beim Design von Verpackungen darauf geachtet wird, dass möglichst nur recyclingfreundliche Druckfarben, Klebstoffe oder Beschichtungen verwendet werden und wenn bei der Sammlung von gebrauchten Verpackungen der Eintrag von Verunreinigungen minimiert wird, könnten die Papierfasern noch wesentlich öfter genutzt werden als heute.

 

Großen Einfluss auf die Nutzung papierbasierter Verpackungen hat unter anderem der Handel. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der gemeinsam von FÖV und Deutscher Umweltstiftung durchgeführte Handelsstudie?

Die Studie ist lesenswert. Sie zeigt unter anderem die hohe Relevanz von Verpackungen für die Klimabilanzen des Handels. Dem gegenüber steht das Ergebnis, dass bisher noch 85 Prozent der befragten Unternehmen keine regelmäßige Klimabilanzierung durchführen und somit viele dieser Unternehmen vermutlich noch gar keine konkreten Kenntnisse über die Auswirkungen der von ihnen gehandelten Verpackungen haben. Immerhin ist das Bewusstsein für die Relevanz der Optimierung von Verpackungsmaterialien, -größen und Gewicht groß. Aber ich lese auch einen großen Bedarf an Informationen und konkreten Kennzahlen über Verpackungsmaterialien im Handel und bei Verbrauchern aus der Studie. Die Studie zeigt, dass es noch Verbesserungsbedarf bei der Gestaltung von Verpackungen gibt, aber auch ein sehr großes Potenzial für klimafreundliche Verpackungen auf Basis von Papier.