Interview mit Dr. Heike Schiffler, Direktorin Kommunikation und Umwelt Tetra Pak

Frau Dr. Schiffler, Tetra Pak hat sich ehrgeizige Umweltschutzziele gesetzt und will beispielsweise das Recycling gebrauchter Kartons weiter ausbauen. Wie wird das aussehen?

Tetra Pak hat sich im Rahmen seiner Umweltstrategie das Ziel gesetzt, in einem Zeitraum von zehn Jahren, das heißt von 2010 bis 2020, seine weltweite Recyclingrate zu verdoppeln. Basis dafür sind die von Tetra Pak während dieser Jahre auf den Markt gebrachten Verpackungen. Um dieses Ziel zu erreichen, engagiert sich Tetra Pak jeweils lokal intensiv in Verbänden und Organisationen, die die Sammlung und Verwertung von Verkaufsverpackungen fördern.

Vertreter von Konsumgüterherstellern und Einzelhandelsunternehmen betonten auf der letzten Konferenz des Forum Ökologisch Verpacken, dass der etablierte und ohne staatliche Regulierung funktionierende Altpapierkreislauf Einfluss auf ihre Verpackungskonzepte ausübt. Welche Rolle spielen Stoffkreisläufe, besonders der von Papier, in der Nachhaltigkeitsstrategie von Tetra Pak?

Für die Herstellung von Getränkekartons werden ausschließlich neue Holzfasern verwendet, die aus FSC-zertifizierten Wäldern und anderen kontrollierten Quellen stammen. Diese machen etwa 75 Prozent der Verpackung aus. Die Entscheidung, nur neue Holzfasern einzusetzen, beruht auf Funktionalitäts- und Hygieneanforderungen, die nur von Fasern hoher Qualität und Stärke erfüllt werden. Wegen eben dieser Qualität und Stärke sind die Holzfasern aus dem Getränkekarton als Sekundärrohstoff sehr beliebt bei den Papierfabriken, sie lassen sich zum Beispiel für die Herstellung von Faltschachteln, Eierkartons, Wellpappe oder Wickelhülsen recyceln.

Wie schätzen Sie die aktuellen Diskussionen über die bessere Ökobilanz von Mehrweg- oder Einweg-Verpackungen ein?

Getränkekartons gehören zur Gruppe der so genannten ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen, die sowohl Mehrweg- als auch einige ausgewählte Einweggetränkeverpackungen umfasst. Es lässt sich also nicht einfach grob zwischen Einweg und Mehrweg polarisieren, sondern bedarf einer differenzierteren Herangehensweise, um Verbrauchern zu erklären, was die Einstufung ‚ökologisch vorteilhaft' bedeutet, worin also der Vorteil liegt. Es reicht einerseits nicht aus, durch ein Pfandsystem bei ökologisch nicht-vorteilhaften Getränkeverpackungen eine höhere Sammelquote zu erzielen; denn diese sagt rein gar nichts über die Qualität des Recyclings aus. Das Recycling muss in diesem Fall nicht mehr belegt werden und deshalb kann es auch nicht mehr nachvollzogen werden. Andererseits wird der Einsatz nachwachsender Rohstoffe ökobilanziell noch überhaupt nicht angemessen bewertet, weil hierzu bisher der methodische Ansatz fehlt. Ein Maßstab, der die Bedeutung nachwachsender Rohstoffe zu der des Recyclings in ein Verhältnis setzt, ist überfällig; entsprechend berücksichtigen auch die verschiedenen Novellen der Verpackungsverordnung nachwachsende Rohstoffe so gut wie nicht.

Den Herstellern von sogenannten Einweg-Verpackungen wird oft vorgehalten, zur Abfallproduktion beizutragen. Was entgegnen Sie diesem Vorwurf?

Die Tatsache, dass neben Mehrweggetränkeverpackungen auch einige Einweggetränkeverpackungen zu den ökologisch vorteilhaften Verpackungen zählen, zeigt, dass Schwarz-Weiß-Denken nicht angebracht ist. In industriellen Prozessen sind Abfälle eine nicht zu verhindernde Begleiterscheinung, es kann also prinzipiell nur die Rede von einem höheren oder geringeren Abfallanteil sein. Würde der Abfall nicht reduziert, wäre das mit Blick auf eine effizientere Ressourcennutzung ein unhaltbarer Zustand. Nun hat jedoch die Privatwirtschaft, also Industrie und Handel, gerade für Verpackungen in jahrzehntelanger Anstrengung ein funktionierendes Sammel- und Verwertungssystem aufgebaut: Das stellt nicht nur sicher, dass heute die unterschiedlichsten Verpackungsabfälle als wertvolle Sekundärrohstoffe zu neuen Produkten recycelt werden können; sondern es hat auch auf die Materialeinsparung Einfluss genommen, soweit es die Funktionalität einer Verpackung – jeweils am Bedarf des Füllgutes ausgerichtet – zulässt. Es stimmt allerdings, dass noch nicht alle Möglichkeiten bei den Recyclingtechnologien ausgeschöpft werden. Diese weiterzuentwickeln bleibt eine Aufgabe der dualen Systeme. Sofern nachwachsende Rohstoffe aus verantwortungsvoller nachhaltiger Bewirtschaftung in Einwegverpackungen zum Einsatz kommen und nach Gebrauch recycelt werden, lässt sich diesen auch nicht den Vorwurf einer Ressourcenverschwendung machen.

Sind Konsumenten und Politiker ausreichend über die Vorteile moderner Stoffkreisläufe informiert? Muss Ihrer Meinung nach das Bewusstsein für den Wert der Kreislaufwirtschaft bei Verbrauchern und in der Politik gestärkt werden?

Seit die dualen Systeme vor rund zehn Jahren in einen Wettbewerb zueinander eingetreten sind, findet eine breite, aktive Verbraucheraufklärung zum Thema Kreislaufwirtschaft praktisch nicht mehr statt. Spätestens die vorgesehene Ausweitung der Verpackungssammlung auf weitere verwertbare Materialien, die so genannten stoffgleichen Nichtverpackungen, wird eine intensive Verbraucherinformation wieder erforderlich machen, um die einzuführende Systemänderung zu erklären und die Unterstützung der Verbraucher dafür zu gewinnen. In einem Wertstoffgesetz könnte diese Aufgabe fest verankert und die Zuständigkeit geregelt werden. Eine einzurichtende zentrale Stelle, über die bereits viel diskutiert wird, könnte diese Aufgabe ebenso wie die der Weiterentwicklung von Recyclingtechnologien koordinieren. Hierfür könnte die Politik einen geeigneten Rahmen setzen.